
Natürlich gibt es Neues unter der Sonne. Täglich kann man sich über bahnbrechende Innovationen informieren, beispielsweise im Energiesektor, in der Medizin, in der Ernährung. Dennoch beschleicht mich öfters das Gefühl, dass die Welt in zentralen Dingen nicht wirklich weiterkommt.
Oft reden mein Mann und ich über die rasante Zunahme des Lärms, die bedrohte Demokratie, die gefährdete Umwelt, klagen über ungute Entwicklungen und ziehen dieselben lapidaren Schlussfolgerungen.
»Wir wiederholen uns«, sage ich dann leicht resigniert und komme mir alt vor.
»In einer langjährigen Zweierkiste darf man sich wiederholen«, meint er nachsichtig.
Auch mein Innenleben produziert Wiederholungen am Laufmeter. Wie oft kritisiere ich im Geiste jemanden, oft auch mich, für etwas, was getan – oder nicht gesagt wurde.
»Ich bin ein bisschen zwanghaft«, denke ich über meinen Hang zur Kritik und entschuldige mich im Geiste bei den Betroffenen.
Einzigartigkeit oder Wiederholung
Kürzlich sprach eine LGBTQIA* Person im Fernsehen. Es war für mich wertvoll, ein mir unbekanntes Wesen besser verstehen zu lernen. Wie ein Déjà-vu kam mir allerdings vor, als sie von ihren eigenen Ängsten auf die Ängste der Menschen schloss. Immer wieder massen Menschen sich an, vom Eigenen auf Andere zu schliessen, die eigene Weltsicht als allgemeingültige Wahrheit zu verkünden.
»Junge dürfen das. Ich war auch so«, ging mir durch den Kopf.
Das Interview hat mir erneut vor Augen geführt, dass jedes Individuum seinen ganz persönlichen Entwicklungsweg bestreiten, und dabei offenbar ähnliche Prozesse zur Identitätsfindung und Ichstärkung durchschreiten muss. Menschen grenzen sich ab, stellen sich über andere, wollen singulär sein, wähnen sich als Mittelpunkt des Universums – um früher oder später zu erkennen, dass dem nicht so ist. Wir alle sind einzigartig und auch wieder nicht. Was für eine einzelne Person als singulärer Weg erscheint, ist aus ein bisschen Distanz betrachtet oft eine Wiederholung oder Adaption bekannter Verhaltensmuster.
Immer wieder Krieg unter der Sonne
Schon bald ist es ein Jahr her, dass die Welt mitansehen musste, wie Putins Armee die Ukraine überfällt.
»Müssen Kriege die Gesellschaft immer wieder zurückwerfen, Grenzen immer wieder verschoben werden?«, frage ich mich.
Wenn ich mich über den Chef im Kreml, oder über einen anderen der vielen Diktatoren ereifere (sind es immer Männer?), oder an die erbarmungslos und brutal unterdrückten Uiguren denke, wähne ich mich in einer trostlosen Endlosschlaufe. Für Millionen von Menschen scheint sich Vertreibung, Armut und Hunger, Perspektivlosigkeit und Depression zu wiederholen. Den Schrecken in der Welt mitansehen zu müssen, wirft quälende Fragen auf:
»Werden wir nie aus der Geschichte lernen? Stimmt die Erkenntnis aus dem Krieg in der Ukraine, dass es keine Sicherung des Friedens ohne Panzer gibt? Gehören der Neid und die Gier zum Mensch sein? Können wir nicht ‘besser’ – neu werden?«
In Prediger 1,9 steht: »(…) und es geschieht nichts Neues unter der Sonne.«
Gelassenheit statt Resignation
Ja, ich bin ein wenig resigniert und enttäuscht darüber, dass es durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder einen Kain gibt, der einen Abel erschlägt. Es betrübt mich, dass Mächtige andere zu Ohnmächtigen machen, wo man doch inzwischen wissen müsste, wozu das führt. Mich quält, dass Menschen offenbar so wenig voneinander und aus der Geschichte lernen. Ich frage mich, warum die Bedeutung der Demutsbotschaft von Jesus so wenig erkannt wird, warum der Mensch sich nicht, oder nur sehr zögerlich vom Glauben an den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit verwandeln lässt?
Warum können (viele) Menschen selber so wenig Licht für andere sein? Und das Richtige tun!
Im Moment weiss ich dies: In unruhigen Zeiten braucht der Mensch Stabilität. Bekanntes kann dann Segen stiften.
Veränderung ist notwendig, wenn auch nicht immer machbar. Doch die Tage bringen immer Chancen; für Verzicht, für Liebe, für Verständnis, für Bescheidenheit, für mehr Du und weniger Ich, für neues Leben – mehr im Kleinen als im Grossen. Ostern hat uns gelehrt, dass sogar der Tod den Samen für Neues in sich trägt. Das Leben drängt zur positiven Wandlung. Und: Weil Jesus auferstanden ist, dürfen wir im Spannungsfeld von Stagnation und Veränderung, von Verzweiflung und Hoffnung gelassen bleiben.
Und wenn wir ungeduldig sind, hilft das Gelassenheitsgebet.
Gott, gib mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
(Die Urheberschaft des Gelassenheitsgebetes ist umstritten, es wird Karl Paul Reinhold Niebuhr, 1892-1971 zugeschrieben.)