Zweite Corona Welle
Die zweite Welle überrollt uns früher und heftiger als erwartet. Leise und stetig hat sie sich angeschlichen. Klagestimmung verbreitet sich. Viele haben Grund dazu, einige richtig viel.
Das lästige Virus mit dem klingenden Namen Covid 19 schert sich nicht darum, dass wir coronamüde sind. Im Gegenteil: Menschen ohne Maske kommen ihm gelegen, grosse Menschenansammlungen liebt es besonders. Es kennt die besten Überlebensbedingungen, schliesslich will auch Covid 19 fortbestehen. Unser Wunsch nach Begegnung und Fröhlichkeit ist seine Chance. Menschen, die sich um die Distanzregel futieren sind für Corona echt cool. In den kühlen Tagen hat das Virus überhaupt keine Existenzsorgen. Die Trauer über Menschen, die einsam sterben ist ihm unbekannt. Dem Gezänk um die richtigen Massnahmen schenkt es keine Beachtung. Seine Gesundheit ist schliesslich nicht gefährdet. Unsere Sehnsucht nach den Zeiten, wo man ungehindert unterwegs sein konnte, ist ihm egal. Selber grenzenlos kann Corona unser Bedürfnis nach mehr Nähe nicht nachvollziehen. Covid 19 nimmt sich den Raum und uns den Atem.
Und nun?
Zynismus beiseite! Eigentlich wollte ich über die Bedeutung von Und in Corona Zeiten nachdenken. Das Bindewort Und stellt eine inhaltliche Beziehung zwischen den verbundenen Sätzen bzw. Satzteilen her. Ein Und Satz stellt verschiedene Dinge gleichzeitig und gleichwertig dar, beispielsweise negative und positive Aspekte der Pandemie. Das dürfte aktuell (Ende Oktober 2020) etwas mentale Anstrengung kosten. Niemand will die hohen Fallzahlen, aber sie betreffen jeden. Der Blick auf den Mangel macht müde, freudlos und lahm. Und nun?
Ich habe mir vorgenommen, mich nicht in der Sehnsucht nach vergangenen und zukünftigen besseren Zeiten zu suhlen. Ich möchte in dieser zweiten Welle den Blick auf das Leben hier und jetzt lenken. Ich möchte die Herausforderung und die Chancen sehen. Zugegeben, wenn das Leben im Standby Modus scheint, wenn Geschäfte Konkurs anmelden müssen, wenn Menschen Leid erfahren, dann ist das nicht einfach. Und dennoch!
Helles und Dunkles sehen
Vieles ist nicht mehr, wie es war. Wie finden wir Gelassenheit, wenn die Fallzahlen täglich steigen, wie neues Vertrauen in das Leben? Weiten wir unseren Blick, denken wir neu und weiter:
Wir haben jetzt zwar die grosse Krise und wir erfahren jetzt auch die vielen Anstrengungen zur Bewältigung.
Kranke Menschen sind im Fokus politischer Entscheide und erfahren wie selten den Wert jeden Lebens.
Ständig wechselnde Situationen irritieren und lernen uns Flexibilität.
Wir verlieren vieles und wissen nicht, wie das Leben im 2021 aussehen wird und wir werden an Corona wachsen und neue Resilienz aufbauen.
Schwere Gedanken bedrücken die Herzen und die bunten Bäume lassen die Blätter fallen. Sie zeigen uns, wie Loslassen geht.
Wir ziehen uns notgedrungen zurück, auch weil die Tage kürzer werden und können in der Ruhe einen neuen Vorwärtsgang finden.
Wir können die gebotenen Regeln sorgfältig und zuvorkommend einhalten und uns darin frei fühlen, weil wir den Sinn einsehen.
Wir müssen von den 100 Möglichkeiten im Leben einige einschränken und habe noch immer 95 zur Verfügung.
Wir fragen am Telefon mit echtem Interesse: Und – wie geht es dir? Die Gespräche werden bedeutungsvoll und Menschen sind weniger einsam.
Wir können unser Geld anders einteilen und den gebrauchten Mantel auch während dieser Saison noch prima tragen.
Persönlich vertraue ich auf bessere Zeiten und weiss, dass Gott in guten und in schlechten Zeiten an meiner Seite ist – und darum bin ich frei.
Corona hin und her. Oder?