Wie gerne sind Eltern (meistens) für ihre Kinder da! Auch noch, wenn sie erwachsen sind. Wenn sie rufen, haben wir Zeit. Sind sie mit ihrem eigenen Leben beschäftigt, haben wir Verständnis. Wir verschonen sie mit unserer Sehnsucht, überlassen sie ihrem eigenen Leben. Jeder Kontakt ist ein Geschenk.
Füreinander Dasein ist eine urmenschliche Qualität, schafft Nähe, stärkt die Beziehung, gibt Sicherheit. Für jemanden bedeutungsvoll sein macht glücklich und gibt dem Leben Sinn – immer vorausgesetzt, dass es für beide Seiten in einem stimmigen Masse erfolgt.
Wie regelmässige Leser und Leserinnen meines Blogs wissen, hat mein jüngerer Sohn den Kontakt zu mir vor vielen Jahren abgebrochen. Er braucht mich nicht. Das ist an sich gut. Er will keinen Kontakt. Das ist sehr traurig. Ich kann ihm meine Liebe nicht mehr zeigen, keinen Kuchen für ihn backen, kein Geschenk für ihn aussuchen, ihm nicht bei irgendetwas behilflich sein. Dass ich ihn meine Liebe nicht fühlen lassen kann, wiegt zeitweise schwerer als die Tatsache, dass ich nicht an seinem Leben teilhabe.
Etwas für Andere tun
Seit einiger Zeit begleite ich zweimal wöchentlich Kinder mit unterschiedlichen Handicaps an einer Heilpädagogischen Schule. Der Einsatz ist freiwillig und findet im Rahmen eines Projektes Senioren im Klassenzimmer von Pro Senectute statt.
Jedes Kind ist ein außergewöhnliches Wesen mit besonderen kognitiven, sozialen oder emotionalen Herausforderungen und Möglichkeiten. Die Begegnungen machen grosse Freude. Ich gehe gerne hin. Manchmal geht’s um Zahlen, ein anderes Mal um Textverständnis, am Freitag kochen wir. Oft erzählen die Kinder aus ihrem Alltag oder zeigen mir irgendetwas, das ihnen wichtig ist. Was wir auch tun, es geht immer um Beziehung. Die Kinder nehmen das Beziehungsangebot gerne an und reagieren auf ihre Weise. Sie sind offen für meine Sympathie und Zuwendung.
Gelegentlich denke ich, dass ich etwas von meiner Liebe für meinen verlorenen Sohn diesen Kindern zukommen lassen kann. Das ist schön und tröstlich, ein Gedanke, der glücklich macht.
Wahrscheinlich habe ich meinen vulnerablen Sohn als Kind nicht gut genug erfassen und verstehen können, habe ihm zu wenig Zuwendung und Vertrauen geschenkt, war zu wenig geduldig. Als Eltern müssen wir damit leben, dass wir vieles gut und einiges weniger gut, vielleicht sogar schlecht gemacht haben. Rückwirkend können wir nichts ändern, aber manchmal in der Gegenwart Dinge klären und sogar ausgleichen. Mit Kindern, die den Kontakt verweigern ist gar nichts mehr möglich. Wir bleiben auf unseren Einsichten und guten Absichten, auf unserer Liebe sitzen. Wir erfahren, wie sich Ohnmacht anfühlt.
Aber wir können unsere Liebe anderen geben, andere von unseren Erfahrungen profitieren lassen. Es müssen nicht immer die Eigenen sein. Es können die Kinder an einer Heilpädagogischen Schule sein, beispielsweise. Lassen wir unsere guten Möglichkeiten nicht verkümmern! Verschenken wir unsere Liebe dort, wo sie angenommen wird. Das macht grosse Freude.
Tun wir etwas für Andere!
Unsere verlorenen Kinder tragen wir weiterhin in unseren Herzen.