Häufig fühle ich mich gut – und das obwohl uns in diesen Zeiten viele schreckliche und bedrohliche Nachrichten erreichen.
Häufig bin ich glücklich – und das, obwohl mir der Kontakt zu einem geliebten Menschen verwehrt ist. Als mir vor über fünfzehn Jahren bewusst wurde, dass der jüngere Sohn einen veritablen Kontaktabbruch vollzogen hat, konnte ich mir nicht vorstellen, dass die seelischen Schmerzen sich je besänftigen lassen würden, ich je wieder heiter sein könnte.
Heute stelle ich verwundert und dankbar fest, dass ich nicht verbittert bin, auch nicht klaghaft und schon gar nicht anklagend. Im Gegenteil, ich bin innerlich ruhig und heiter, auch wenn der Tag sich von der griesgrämigen Seite zeigt.
Das ist Gnade.
Im Rückblick hat diese düstere Verlusterfahrung eine helle Kehrseite. Sie bleibt eine harte Lebensschule, hat mich aber auch zu vielen wertvollen Einsichten geführt. Das mag jetzt in einigen Ohren gar pathetisch klingen.
Für mich ist es Gnade.
Ich hänge weniger an Dingen und Beziehungen. Der Gedanke an den Verlust von etwas Wertvollem (was bestimmt wieder eintritt) hat nicht mehr den Charakter einer Katastrophe. Etwas vom Wertvollsten habe ich schon verloren, also kann gar nichts mehr wirklich schlimm sein. Trauer und Seelenschmerz bringen einen nicht um.
Das ist Gnade.
Ich bin mit mir und anderen milder geworden. Meine Ansichten sind nicht mehr das Mass der Dinge. Das ‘Urteilen’ über das Leben anderer versuche ich möglichst zu lassen. Und ich bin demütig geworden. So wenig liegt in meiner Hand. Und was möglich wird, ist durch eine andere Hand geworden.
Das ist Gnade.
Mein Lebensgefühl hat sich verändert. Ich bin dankbar. Selbst in dieser Zeit voller Dunkel bin ich entspannter als früher, auch wenn die grossen gesellschaftlichen Spannungen mir sehr zusetzen. Ich empfinde die segnende Kraft Gottes, von der Martin Luther King gesprochen hat:
»Wenn unsere Tage verdunkelt sind und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte, so wollen wir stets daran denken, dass es in der Welt eine grosse, segnende Kraft gibt, die Gott heißt (…).«
Das ist ein unverdientes Geschenk. – Das ist Gnade.
Liebe Leserin, lieber Leser, ich wünsche Ihnen, dass Gottes segnende Kraft Sie begleitet, jederzeit und wo immer sie stehen oder gehen.
Mein Gott, unser aller Gott
Wie kann ich dir danken –
für deine
Liebe und Kraft,
die mich aufrecht bleiben lässt?
Wie kann ich dir danken –
für deinen
Zuspruch im Geist,
der mich weitergehen lässt?
Wie kann ich dir danken –
für so viel Gnade,
die mich dem Leben zugewandt
bleiben lässt.
Danke
mein Gott,
unser aller Gott.