Die Liste meiner Gebetsanliegen wird immer länger:
Frieden in den vielen Konfliktregionen
Tragfähige und gerechte Lösungen für gesellschaftliche Krisen
Nahe und ferne Menschen, an Körper und Seele verwundete Menschen
Menschen, die eine grosses Leid tragen
Wege heraus aus diesen instabilen Zeiten in eine menschenwürdige Welt
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Ohnmacht und Angst
Als ich las, wie viele Niederländer einem Geert Wilders die Stimme gegeben haben, verspürte ich Angst. Meiner Nachbarin ging es ähnlich. Sie war ganz aufgeregt. Dieses Wahlergebnis ist kein Zufall, wie wir leider wissen. Es gibt immer mehr diktatorische Staatsführer (die männliche Form ist bewusst gewählt). Ich wage mir nicht auszumalen, wie es sein wird, wenn sich die extreme Rechte weiter etablieren kann.
Schon heute werden Demokratie, Wahrhaftigkeit oder Anstand in der Politik vielerorts ausgehöhlt. Unwahrheiten gehören in vielen Kreisen leider zum courant normal. Lügen führen nur noch zu einem Schulterzucken. Fake News prägen oft die öffentliche Meinung, vor allem auch von jungen Menschen.
Meine Empörung über diese Entwicklungen ist gross, die Ohnmacht als Einzelmaske frustrierend.
Trauer und Sorge
Hinter der Wut verbirgt sich Trauer über den Verlust von bedeutsamen Qualitäten im Zusammenleben. Ich habe viele bange Fragen: Werden gerade wichtige Werte zu Tode getrampelt oder befinden wir uns in einer grossen Umbruchsphase, von der man noch nicht wissen kann, wohin sie führen wird?
Wird der Appetit auf mehr Land und Macht weitere Herrscher zum hemmungslosen Angriffskrieg treiben?
Noch fehlt es vielen an nichts, aber andern fehlt sehr viel. Das löst grosse Spannungen aus. Und gross ist das Unbehagen über geistige Entwicklungen. Heute hat mir ein Junge mit einer leichten geistigen Beeinträchtigung gesagt, dass er Juden hasse und den Holocaust geil finde. Wie er darauf komme, habe ich ihn gefragt. Kids News, hat er gesagt.
Schwer zu ertragen.
Ich lebte besser, als man meinte, Angriffskriege gehören der Vergangenheit an, und bevor die Hamas mit ihren Barbareien die Welt erschütterten (nicht falsch verstehen, mich treibt das Leid der Palästinenser und der Israelis um). Ich lebte unbeschwerter in der Annahme, dass Lügen in der Politik zur Ausnahme gehören. Ich fühlte mich im Umgang mit der Sprache entspannter, bevor Konzeptmenschen meinten, formale Regeln (beispielsweise gendergerecht) durchsetzen zu müssen.
Ich bin besorgt. Ich trauere um den Verlust von demokratischen Werten, von Anstand, auch in der Politik. Ich bedauere, dass gegenseitige Toleranz ab-, und die Aggressivität im Umgang mit Unterschieden zunimmt. Und als gläubiger Mensch bedaure ich sehr, dass die jesuanische Botschaft vom menschenfreundlichen Gott so wenig Resonanz bei uns Menschen findet. Unser Streben nach Einzigartigkeit und unser Grössenwahnsinn verhindern den Zugang zu dieser Wahrheit und Inspiration. Und leider machen die kirchlichen Institutionen einem den Zugang dazu nicht einfach.
Noch ist längst nicht alles verloren. Überhaupt nicht.
Das Gute überwiegt!
Meine morgendlichen Fürbitten sind flehender geworden, manchmal zweifelnder, wenn nicht gar verzweifelt, bis mir der Gedanke geschenkt wurde:
Es ist so viel Gutes in der Welt, viel mehr Gutes als Böses.
Und ich mich beschämt fragte, ob ich ob dem Dunkeln das Helle nicht sehen kann. Meine Sorgen mögen gerechtfertigt sein. Aber ist es auch mein Kleinmut?
Ohne lange nachzudenken, kann ich viel Gutes aufzählen:
In meiner Nachbarschaft leben viele freundliche und sorgsame Menschen. Viele meiner Nächsten (sie teilen meine Einschätzung) sind voller Liebe und Herzlichkeit. Ich kenne kaum Menschen, die einen Geert Wilders wählen würden.
Zwar ist auch im Land, wo ich wohne (Schweiz), die extreme Rechte lauter und frecher geworden, doch das politische System hat bis anhin extreme Entwicklungen ausgleichen können.
Kürzlich habe ich in meiner Kleinstadt eine Totengedenkfeier besucht für Menschen, die im Krieg oder auf der Flucht gestorben sind. Es wurde aus der Bibel gelesen, ein Muslim rezitierte eine Sure aus dem Koran, ein anderer spielte ein arabisches Instrument, die abwesenden Juden waren durch jüdische Gebete einbezogen. Ein Zeichen des gegenseitigen Respekts, ein Akt gegen Hass. Ich war glücklich.
In den schlimmsten Zeiten krempeln Menschen ihr besten Seiten nach aussen. Man hilft einander, entwickelt kreative Initiativen gegen den brutalen Wahnsinn.
In unseren Breitengraden sind demokratische Kräfte noch stark, und bei einem grossen Teil der Politiker und Politikerinnen handelt es sich um wahrhaftige Menschen. Das ist mein Eindruck.
Für schwächere Menschen wird einiges getan; politisch und gesellschaftlich, bezahlt und ehrenamtlich. Es könnte immer mehr sein.
Vieles läuft noch immer rund, auch wenn es an Fachkräften in der Schule, im Gesundheitswesen, im Bau usw. mangelt. So viele leisten Aussergewöhnliches, gehen an ihre Grenzen, leider auch darüber hinaus (damit mit weniger das gleiche oder noch mehr erreicht werden kann, was weniger gut ist).
Ich hoffe, dass diese Liste des Guten Sie aufstellt. Sie könnten sie gewiss erweitern. Behalten wir das Gute im Blick!
Zum Schluss: Ich danke allen Menschen, die für eine gute Sache einstehen und ihre Lebensenergie in ein demokratisches und menschenfreundliches Zusammenleben investieren. Viele Bekannte und Unbekannte tun Gutes, das hoffentlich gross bleibt und grösser wird.
Merci!
Wenn unsere Tage verdunkelt sind
https://www.evangeliums.net/zitate/martin_luther_king_seite_3.html
und unsere Nächte finsterer
als tausend Mitternächte,
so wollen wir stets daran denken,
dass es in der Welt eine grosse,
segnende Kraft gibt, die Gott heißt.
Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit
weisen. Er will das dunkle Gestern
in ein helles Morgen verwandeln —
zuletzt in den leuchtenden Morgen der
Ewigkeit.
Martin Luther King