Als um 9.44 Uhr mein Handy klingelte, wollte ich meine tägliche Stille Zeit nicht unterbrechen.
Um 10.03 rief ich zurück und hörte:
»Die angerufene Nummer ist nicht vergeben.«
Ich drückte automatisch nochmals die Wahltaste. Gleiches Ergebnis:
»Die angerufene Nummer ist nicht vergeben.«
Es wäre übertrieben zu sagen, dass mich dieser Anruf den ganzen Tag verfolgt hätte, doch ich dachte öfters daran und fragte mich, ob er von einem Avatar aus Metaverse, von einem Geistwesen aus dem Jenseits, oder gar von einem gewieften Telefonbetrüger abgesetzt worden sein könnte. Nun, vermutlich war es der Anruf einer unbekannt bleiben wollenden Werbefirma, der mich zu einer gestressten Person geführt, und die ich schlechten Gewissens abgewimmelt hätte.
Auch der Klang meiner Klangschale führt mich zu Unbekanntem. Jeden Morgen schlage ich, wenn die Kerze brennt, zur Eröffnung und zum Abschluss der stillen Zeit den Gong. Die Tonalität des Klanges ist immer überraschend, nie krächzend, immer weich, immer weit, manchmal hell oder dunkel, ganz im Gegensatz zum Klingelton Placid auf dem Handy, der zwar als seelenruhig und milde beschrieben wird, aber in meinen Ohren hart klingt. Jeden Morgen lausche ich, wie der Ton der Klangschale den Raum füllt und stelle mir vor, wie er das Ohr der Vögel im Garten und der Radfahrer auf dem Weg zur Arbeit erreicht. Ich folge dem langsamen Verblassen des Klanges, so gut die Unruhe des Geistes es eben erlaubt und ersehne den Moment, wo alles still ist. Und, wenn der Zappelgeist die Leere nicht stört, meistens ein Gebet aufsteigt.
Du
unbekanntes und doch
bekanntes Wesen
im unzugänglichen Licht.
Du
Anfang meiner Hoffnung,
Weg der Erfüllung,
Ziel meiner Sehnsucht.
Du
bist mit uns
auf geheimnisvolle Weise
jederzeit verbunden.
Danke für die persönliche
Nummer zu Dir.
Danke, dass du uns hörst,
wenn wir anrufen.
Wir möchten da sein,
wenn du uns rufst.
Amen