Aber – ein kurzes Wort mit vielen Möglichkeiten! Gemäss Wortschatzlexikon der Universität Leipzig kommt aber in den letzten Jahren sehr häufig in deutschsprachigen Texten vor. Scheinbar wollen Menschen heute einen Kontrapunkt setzen. Wenn Gegenstimmen wichtig sind, ist aber ein Wort der Stunde, denn es leitet Einwände, eine andere Sichtweise oder Ergänzungen ein. Ein Satz mit einem Aber kann die Gedanken von Lesenden in eine entgegengesetzte Erwartung oder noch nicht gedachte Dimension lenken.
Wir leben in Zeiten von grossen Herausforderungen: Gespaltene Gesellschaften, Pandemie und Pandemieleugner, gebeutelte Natur, Zunahme von Rassismus und Judenfeindlichkeit sind einige davon. Bei solch grossen gesellschaftlichen Bedrohungen – das muss gesagt sein – gibt es kein wenn und aber – es sei denn, man heisse Trump.
Aber: Können die düsteren Kapitel der heutigen Zeit nur durch die Sorgenbrille gesehen werden? Gibt es andere vertretbare Sichtweisen? Wäre das blosse Schönrednerei, Weltfremdheit, abgrundtiefe Naivität? Hier plädiere ich für ein zweifaches Aber, ein Machbares und ein Übernatürliches. Neue Dimensionen sollten wir erkennen und unseren Horizont erweitern. Auf das übernatürliche Eingreifen dürfen wir hoffen.
…, aber wir haben Biden und Harris
Viele leiden an Trump und seiner Millionengefolgschaft in und ausserhalb Amerika – aber vor uns steht eine Zeit mit Biden und Harris. Sie stehen für Persönlichkeiten, welche nicht von Feinden, sondern von Gegnern sprechen. Sie wollen Risse heilen und der gesamten multikulturellen Gesellschaft Gehör verschaffen.
Wir sehen viel Hass auf Schwarze (coloured people), Juden, Muslime, Christen, um einige Adressaten negativer Gefühle zu nennen – aber es gibt starke Bewegungen gegen Ausgrenzung und Pauschalisierung, wie etwa gegen die Gleichsetzung von Muslimen mit Terroristen.
Die Pandemie ist eine gesellschaftlichen Katastrophe, die vielen Menschen schlaflose Nächte beschert, die häusliche Gewalt ansteigen lässt, und und… – aber – wir sehen grosse Solidarität mit Betroffenen und grösste Anstrengungen, Corona in den Griff zu bekommen.
Die Festtage 2020 werden anders sein – aber sie können dennoch sehr gemütlich, vielleicht besonders innig und weniger lärmig sein.
Das grosse ABER
Damit ist das biblische ABER gemeint, das Eingreifen der übernatürlichen Liebe in die Niederungen des Seins im Hier und Jetzt. »Der Mensch plant seinen Weg, aber der Herr lenkt seine Schritte«, heisst es bei Sprüche 16,9.
Menschen können Ziele formulieren und erreichen, das Beste wollen, aber es ist Gott, der nach dem Massstab seiner ewigen Liebe als das grosse ABER in die Schöpfung eingreift. Sein ABER mag uns manchmal irritieren, ärgern und unverständlich erscheinen. Vielleicht haben wir uns sein Wirken anders vorgestellt und sind frustriert. Ist nicht auch ein kleines Kind frustriert und zornig, welches ins weite Meer mit Unterströmung hinausschwimmen will, aber von seiner Mutter lautstark zurückgerufen wird, weil sie die Gefahr kennt. Einmal zu weit draussen, würde ein Kind gegen starke Strömungen nie und nimmer aus eigener Kraft zurückschwimmen können.
Wir verstehen das Geheimnis nicht, können aber mit dem grossen ABER vertraut werden, wenn wir auf Jesus Worte hören, uns überraschen lassen – und in seinem Geiste reden und handeln. Dazu zwei Beispiele:
In unserer Welt sind die Sanftmütigen oftmals auf der Verliereseite, aber Jesus sprach in seiner Bergpredigt gerade ihnen das Erdreich zu: »Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.« (Lukas 5,5)
Im Alten Israel war es geboten, eine Ehebrecherin zu steinigen, aber Jesus sah das anders: »Als sie ihn nun beharrlich so fragten, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.« (Johannes 8,7) Sein ABER widersprach dem herkömmlichen Rechtsempfinden von Schuld und Strafe grundlegend und schaffte ein neues Ethos.
Dass aber evangelikale Christen angeblich im Namen Gottes einen faschistoiden Präsidenten wählen, irritiert in hohem Masse. Im Hier und Jetzt sind wir oft verwirrt und entsetzt, aber die ewige Liebe umarmt die ganze Welt samt ihren Nöten. Das ist Glaubenssache, mögen säkulare Menschen einwenden – ja, aber haben wir nicht alle schon im Kleinen erfahren, wie eine verfahrene Situation eine überraschende, unerwartete, nicht erklärbare positive Wendung genommen hat?
Weiten wir den Blick!
Er spricht sein grosses ABER – zu seiner Zeit.