An Tagen voller Bange

Schon wieder bin ich beklommenen Herzens erwacht. Die schaurigen Bilder über den Krieg in der Ukraine zeigen Wirkung. Die Verzweiflung und Trauer der Ukrainer und Ukrainerinnen legt sich wie ein unsichtbarer Film über meine Seele. An mir ist es nicht zu klagen, denke ich, die in einer warmen Stube sitze und in Sicherheit lebe.
Die Menschen in der Ukraine hingegen sind grundlegend in ihrer Existenz bedroht. Die Amerikanerin Anne Applebaum, eine der besten Kennerinnen der Geschichte Russlands sieht im Krieg die klare Strategie Russlands, Ukrainerinnen und Ukrainer aus der Ukraine zu entfernen. Man tötet sie oder macht sie zu Flüchtlingen (vgl. Interview im Bund vom 5.4.22).
Das ukrainische Volk weiss, wogegen und wofür es kämpft; gegen Unterdrückung und Gewalt, für ein Leben in Freiheit und Würde, in einem souveränen Staat. Es muss kämpfen, auch wenn Krieg keine Lösung ist. Eine qualvolle Situation für das Land und die Menschen. Hüben und drüben.
Bange wird mir zudem, wenn Präsidenten mit Nähe zu Autokraten und Rechtspopulisten das Vertrauen so vieler Menschen geniessen, wie die jüngsten Wahlergebnisse in Ungarn und Serbien zeigen. Wozu das führen kann, sehen wir in Russland, China, Weissrussland, Nordkorea.

Osterhaltung

Selten habe ich so flehentlich gebetet wie die vergangenen Wochen. Der Glaube, dass Gott die Menschen in der Ukraine in seinen Händen trägt, ist in Zeiten wie diesen nicht einfach. Ob dem Grauen fällt das Vertrauen in den Sieg des Guten zeitweise schwer. Ich bin allen Menschen dankbar, die es mir vorleben.
«Die Hoffnung stirbt zuletzt.», lautet ein Sprichwort. Und schon Cicero sagte: «Dum spiro spero.» Solange ich atme, hoffe ich. Martin Luther King setzte die Hoffnung über die Enttäuschung: «Wir müssen endliche Enttäuschung akzeptieren, aber niemals die unendliche Hoffnung verlieren».
Bald feiern wir Ostern, den Sieg des Lebens über den Tod, die Verwandlung des Dunkels in Licht.
Lassen wir uns den Glauben daran nicht nehmen. Schon gar nicht von einem wie Putin. Bringen wir uns schon heute in die Osterhaltung. Bleiben wir in der Hoffnung auf Frieden. Vertrauen stellt auf, Angst drückt zu Boden. Hoffnung macht leichter, Verzweiflung macht schwer. Hass ist hässlich, Liebe ist schön.

«Ich habe beschlossen, bei der Liebe zu bleiben … Hass ist eine zu große Last, um sie zu tragen.»
Martin Luther King

Flehen, wenn Krieg ist

Gott
Höre die Schreie der Verzweifelten
und das Seufzen von Sterbenden.
Vernimm das Flehen der Mutter, die ihren Sohn nicht findet
und das Schweigen, worüber es keine Worte gibt.

Gott
Setze dem Grauen ein Ende.
Sei bei allen Menschen in Not.
Flüstere den Verantwortlichen Weisheit ins Ohr.
Befähige sie für neue Friedenswege.

Gott
Heile die Wunden
und geschundenen Seelen der Soldaten.
Besänftige ihren Hass,
lass sie heil und freundlich werden.

Gott
Verhilf allen Kriegsparteien zu neuer Würde
und zum Einsehen in den Unsinn von Krieg.
Bei dir kann das kleinste verschüttete Fünklein Liebe
erneut ganz gross für Frieden lodern.

Amen