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Es ist ein Tag zum Vergessen. Eine dichte, graue Wolkendecke lässt es bereits am Mittag Abend werden. Kinder zanken sich auf dem Heimweg von der Schule. Ihre Lehrpersonen haben sie kaum ohne Maske gesehen. Sie sehnen sich nach Schnee, viel Schnee, Schnee zum Anfassen, für eine wilde Schneeballschlacht oder einen richtig grossen Schneemann. Schneematsch ist doof, macht nur nasse Füsse.
Und wir Erwachsene?
Die Pandemie ermüdet Alle. Die Schwere der Zeit legt sich auf den Geist.
Sehnen auch wir uns nach einer weissen Decke, nach der Sonne, die später alles wegschmilzt, was uns Sorgen macht; die neuesten Coronafallzahlen, die gehässigen Diskussionen über Schutzmassnahmen, das fehlende Verständnis für Unterschiede, Existenzängste, die Nöte dieser Welt. Gott wo bleibt dein Erbarmen?
Ist meine Schwermut an einem trüben Tag nicht unverhältnismässig angesichts des immensen Leides von sehr vielen Menschen, frage ich mich. Immerhin gehöre ich zu jenen, die wenig zu klagen haben. Die Heizung funktioniert, die Rechnungen sind bezahlt, der Kühlschrank ist voll. Ich habe einen Termin für die dritte Impfung. Es gibt Menschen, mit denen ich Schweres teilen kann.
So viele Menschen sind überfordert. Mein Mitgefühl, etwa für die Helden im Gesundheitswesen kommt mir manchmal schäbig vor. Aus der Komfortzone heraus ist das einfach – denke ich. Meine persönliche Ohnmacht macht mir zu schaffen, ich bin so klein.
Heute Morgen erschien zwischen den bereits dichten Wolken für kurze Zeit die Sichel des abnehmenden Mondes. Bald ist Neumond. Die Bewegung wird erneut aufsteigend. – Ich halte die Augen offen, für neue Möglichkeiten, für einen achtsamen Umgang mit dem mir Möglichen.
Ich öffne mein Ohr für Antworten – erhoffe das Licht.
Kyrie
Das Kyrie eleison ein Baum,
jede Not ein Zweig,
Jeder Zweig eine Hand,
an die sich die Antwort
des Himmels schmiegt
Der Himmel die Muschel
über dem rufenden Baum,
und langsam reift
zwischen Winter und Winter
uns für die Antwort das Ohr.
Christa Bröckelmann (2008): Kyrie. In: Du weisst, wer wir sind. Basler Gebetsbuch. Zürich: Theologischer Verlag, S. 141.