Die Wanderung vom Lauenensee zur Geltenhütte überrascht mit vielen kleinen und grossen Wasserfällen. In zwei Phasen donnert der Geltenschuss durch das wilde Tal, der Pfad im oberen Drittel führt sogar hinter einem kleinen Wasserfall hindurch. Auf Schritt und Tritt begleitet einen der Geltenbach in ständig wechselnden Formationen. Und erzählt vom Leben!
Bevor das Wasser ungebremst einen Felshang hinunterstürzt, fliesst es oft gemächlich heran, um dann pausenlos in die Leere zu fallen. Einige Meter weiter unten findet es Boden, hart aufprallend und doch spielend leicht – grüne Moospolster benetzend und Wasserstaub versprühend. Sonnenlicht zaubert Regenbogenfarben hervor. Ein magischer Moment! Unbeeindruckt von diesem Schauspiel der Natur findet jeder Wassertropfen, vorbei an bizarren Steinen, einen Weg durch engste Schluchten und weite Ebenen. Im Wechsel von sanftem Fliessen, spielerischem Sprudeln und tosendem Fluten geht keiner verloren, keiner ist sinnlos. –
Und schon wieder stürzt der Bergbach über einen Felsen, fällt ins Leere, lässt sich bewundern, von jedem Wanderer, von jeder Wanderin und ganz bestimmt von jedem Kind. Er fliesst bei Sonne in den Farben blau bis türkis, bei Wolken grau, durch sein unwegsames Bett. Geräuschvoll meistens. Unvorhersehbarkeiten bremsen sein Fliessen. Nie böswillig. Die grossen Steinbrocken und Baumstämme liegen ruhig da. Sie werfen das Wasser zurück, drängen es ab, lassen es überraschende Sprünge wagen, manchmal in einem Becken länger verweilen, bis es, irgendwann, unter Brücken durch, vorbei am sanften Lauenensee, nun als Louibach durch Moorgebiete mäandrierend durch das allmählich flacher werdende Tal fliesst und in die Saane mündet. Und irgendwann ins Meer!
Der Bergbach lädt zum Verweilen ein, zum Zuhören und Nachdenken über das eigene Leben und das Leben an sich. Er fliesst, mal mit mehr, mal mit weniger Wasser, verändert sich sekündlich und bleibt im Kern derselbe. Das Fliessen ist sein Wesen, lädt zum Weitergehen ein, immer, auch nach einer Katastrophe. Umwege, Rückschläge und Trockenzeiten gehören dazu, genau wie Leichtigkeit, Farbe und Glanz. Ein Bergbach kann uns dem unergründbaren Geheimnis näher bringen, welches jedes Leben fliessen lässt.
Beten am Ufer eines wilden Bergbaches
Gott, du geheimnisvolle Kraft hinter allem Fliessen,
dir neige ich mich zu:
Das Rauschen des Baches erzählt von Ewigkeit,
sein Sprudeln von fröhlicher Leichtigkeit.
Im klaren Wasser spiegelt sich grenzenlose Weisheit,
in den geschliffenen Steinen grosse Geduld.
Im fallenden Wasser trägt deine sanfte Kraft,
und zielstrebig ist sein Fliessen.
Gott, du fernes Geheimnis,
das kein Mensch je erschliessen kann:
Auch im Bergbach bist du nicht zu fassen,
dein Grund ist zu gross und meiner definitiv zu klein.
Er schenkt mir Bilder, um über dich zu sprechen,
Intuitionen, um dich zu erahnen,
Stille, um an dich zu denken,
Vertrauen, dass es weitergeht.
Gott, ich danke dir für den Bergbach.
AMEN
Am Lauenensee