Das Wunder der Perle
Sören Kahl
Man erzählt sich die Geschichte einer Perle hier am Strand.
Sie entstand in einer Muschel durch ein grobes Körnchen Sand.
Es drang ein in ihre Mitte und die Muschel wehrte sich.
Doch sie musste damit leben und sie klagte: Warum ich?
Eine Perle wächst ins Leben, sie entsteht durch tiefen Schmerz.
Und die Muschel glaubt zu sterben. Wut und Trauer füllt ihr Herz.
Sie beginnt es zu ertragen, zu ummanteln dieses Korn.
Nach und nach verstummt ihr Klagen und ihr ohnmächtiger Zorn.
Viele Jahre sind vergangen, Tag für Tag am Meeresgrund
schließt und öffnet sich die Muschel. Jetzt fühlt sie sich kerngesund.
Ihre Perle wird geboren. Glitzert nun im Sonnenlicht.
Alle Schmerzen sind vergessen, jenes Wunder jedoch nicht.
Kostbare Perlen
Axel Kühner
Der Autor reflektiert anhand der Entstehung der Perle die Bedeutung des Leidens für das geistliche Leben.
Äußerlich ist die Perlmuschel unansehnlich. Ihre Schale ist rauh. Öffnet man sie aber, so wird ein perlmuttfarbiger Grund sichtbar. Und dann kommt es vor, dass die Muschel eine Perle bildet. Schimmernd liegt sie als Kostbarkeit im Innern der Muschel. Und doch ist jede Perle im Grunde eine Abwehrreaktion der Muschel auf eine Störung. Irgendein Fremdkörper gelangt in die Muschel, etwa ein störendes Sandkorn. Wenn sich die Muschel des schmerzenden Eindringlings nicht entledigen kann, legt sie um ihn Schicht um Schicht, schließt den Fremdkörper mit Schmelz ein und macht ihn unschädlich. So entsteht die Perle, ein Wunderwerk an Farberscheinungen, an Glanz und Form, keine der anderen gleichend und als kostbarer Schmuck hoch begehrt. Zum Schutze ihres Lebens hat die Muschel das Böse mit kostbarem eigenem Schmelz umkleidet und so nebenbei eine Kostbarkeit geschaffen. – Die Perlmuschel wird für uns ein Bild der Überwindung des Bösen. Sind wir auch fähig, das Leid, das uns zerstören will, einzukleiden in unsere Lebenshingabe, und schließlich wird aus all der Not noch eine Perle der Tröstung und Hoffnung?
Die Erfahrung, dass Schmerz und Leid den Menschen stärkt und läutert, der Aufblick auf Jesus, den Schmerzensmann, der alles für uns getragen und überwunden hat, die Glaubensgewissheit, die gerade in schweren Zeiten gewachsen ist, sind die Perlen, die sich dann bilden.
Suche in den Leiden die Bedeutung, die sie für dein geistliches Leben haben, und die Bitterkeit deiner Leiden wird sich in eine Perle verwandeln!
Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. (Römer, 8,18)
Axel Kühner (1991): Überlebensgeschichten für jeden Tag. Neukirchen-Vluyn: Aussaat Verlag, S. 213,214.