An einem Grübeltag

 

 

 

 

 

Leider bin ich nicht immer Meisterin über die Tätigkeit meines Verstandes. Mein Kopf produziert immer wieder Gedanken, die ich eigentlich nicht (mehr) denken will.
Ich hänge meiner beruflichen Vergangenheit nach. Vor Jahren war ich Pionierin in meinem Fachgebiet, heute schreit kein Hahn mehr nach meinen Fähigkeiten. Habe ich etwas falsch gemacht, dass ich schon vergessen gehe?
Eine Übung in Loslassen, in Sterben?

Eigentlich finde ich es lächerlich, mich mit einem grossen Ausnahmetalent zu vergleichen! Herbert Blomstedt geht mir dennoch nicht aus dem Kopf. Er dirigierte noch mit 97 Jahren Beethovens Eroica, ich werde schon mit 69 Jahren täglich mit der Abnahme meiner Spannkraft konfrontiert.
Eine Übung in Demut?

Könnte ich mehr von mir fordern? Müsste ich dieses oder jenes noch tun? Sollte ich die Tage behutsamer als auch schon angehen?  Wo ist loslassen angesagt, wo dranbleiben? Alles sollte, könnte, hätte, müsste bringt mich kein Stück weiter. Ich drehe mich im Kreis. Wo ist der Ausgang?
Und dann kommt mir auf der Strassenkreuzung im Wald ein befreiender Gedanke: Ich kann alle Grübelei Gott hinlegen. Was nicht gewesen, was vergangen ist, wo etwas fehlt, all diese Situationen im Leben müssen nicht unerfüllt bleiben. Gott wird die Leerstelle füllen. Oder sie leer lassen.

Gott,
dir möchte ich
all die toxischen Gedanken über
Verpasstes
Unerledigtes hinlegen –
all das, was nicht gewesen ist.

Gott,
dir möchte ich
die unnötige Grübelei über
Aussichtsloses
Unmögliches abgeben –
all das, was jetzt nicht sein kann.

Gott
Ich möchte nicht Gefangene
von überflüssigen Gedanken sein.
Zeig mir den Ausgang
in die Freiheit.
Lass werden, was und wie du willst.

Amen