Mütterlich sein ist mehr als Mutter sein

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: https://kinderzeitung.kleinezeitung.at/basteltipp/herz-aus-kresse/

Als Anna den Kindergärtlern die Bastelarbeit zum Muttertag erklärte: Wir modellieren ein Tonherz und lassen darin Kresse wachsen, fragte Carl: Müssen wir das machen?
Die junge Lehrerin war irritiert, ich als Seniorin im Klassenzimmer erstaunt. Carl aber wollte einfach nur lieber spielen als basteln, mehr war da nicht.

Am 9. Mai 2021 werden die Mütter wieder weltweit gefeiert. Im Internet, in den Werbezeitungen und Schaufenstern zirkulieren Hunderte von Geschenksideen. Wer könnte übersehen, dass wieder Muttertag ist, wer würde nicht an die Mutter denken, die jedes und jeder hat. Der Tag generiert schon vorab vielerorts hohe Erwartungen und Stress. Nicht wenige blenden ihn bewusst aus oder erklären ihn als irrelevant.

Die Liebe zwischen Mutter und Kind gilt als eine Art Urgefühl. Sie ist da und wird immer da sein, davon gehen die meisten aus, auch wenn die Realität einen längst eines anderen belehrt hat. Helga Schubert schreibt in ihrem Buch Vom Erwachen, wie sie im fortgeschrittenen Alter einer viel jüngeren Pastorin klagt, sie könne ihre Mutter nicht lieben. Sie müsse ihre Mutter nicht lieben, nur ehren, das reiche, antwortete die Pastorin.
Was ist, wenn Kinder ihre Mutter weder lieben noch ehren können, keinen Grund zur Dankbarkeit haben, sie ablehnen, verneinen müssen? Dann kann aus dem Muttertag kein Tag der Genugtuung, höchstens ein Anlass zum Nachdenken werden. Warum ist die Beziehung zu meinem Kind so belastet, ja misslungen, mag sich manche Mutter fragen? Positive Gefühle für eine Mutter lassen sich nicht erzwingen, schon gar nicht an einem Muttertag, mögen sich Gekränkte oder Gleichgültige rechtfertigen. Sind solche Situationen nicht oft herzzerreissend – für eine Mutter mehr, möglicherweise für die Kinder weniger?

Heute denke ich an jene Menschen, die ihre Mutter nicht (mehr) lieben können, das nicht etwa, weil sie gestorben wäre, sondern weil sie nichts mehr von ihr wissen wollen. Auch sie haben ihre Mutter einmal geliebt. Alle lieben die Mutter, bevor sie sie hassen. Auch Kinder, deren Mutter bei der Geburt oder kurz danach verstorben sind, berichten von ihren Phantasien über eine Mutter, die sie liebt. Wird diese Liebe verschüttet, können Welten zusammenbrechen.

Einige Mütter werden am 9. Mai 2021 fröhliche Stunden erleben, etwa wie im Werbefilm von Hipp: durch die Kinder zubereitetes Frühstück, herzige Geschenke, reizende Dankesbriefe, warme Worte, tiefe Emotionen. Es ist schön, wenn am nächsten Sonntag viele Kleine und Grosse ihren Müttern von Herzen danken, wenn viele Frauen echte Momente der Freude über ihre Mutterschaft empfinden dürfen. Ich wünsche ihnen die Anerkennung ihrer Mütterlichkeit.

Umfassende Mütterlichkeit

Mutterschaft ist vermutlich immer mit Freud und Leid verbunden. Das wusste auch Maria, die Mutter Jesu. An sie denke ich gerade häufig. Sie ist für mich der Inbegriff einer weltumspannenden mütterlichen Liebe. Die Mutter Gottes wird auch am Muttertag 2021 ihre Mütterlichkeit über alle Kinder und ihre Mütter ausbreiten – auch über jene Kinder, die ihre Mütter verneinen und über alle Mütter, die diese vermissen. Das hoffe ich für uns alle.
Heute habe ich mich noch von etwas anderem als der Präsenz einer alles umfassenden Mütterlichkeit in der geistigen Welt ergreifen lassen: Göttliches und mütterliches Sein sind nach meinem Empfinden gleichursprünglich. Jesus lässt sich ohne Maria nicht denken. Maria hat aus ihrer Mütterlichkeit heraus den Menschen- und Gottessohn Jesus geboren. Gottesliebe ist auch und vor allem mütterliche Liebe, die immer und überall da ist. Verstehen tue ich das zwar nicht, eher erahnen.

Und unsere Mütterlichkeit? Unsere Fürsorge ist gegenüber Gottes Liebe zwar stümperhaft. Dennoch können wir anderen unser Mitgefühl und unsere Zuneigung jeden Tag zeigen, Schutz- und Hilfsbedürftigen helfen. Auch verstossene oder kinderlose Mütter können ihrer hegenden und pflegenden Liebe Form geben. Mütterlichkeit bezieht sich nicht nur auf eigene Kinder, nicht nur auf die verlorenen oder jene, die man nicht hat. Die ganze Schöpfung braucht unsere Mütterlichkeit.