Menschen »halten« viel aus. Man muss »durchhalten«, wenn es schwierig ist. Jemand muss das Ganze »zusammenhalten«. Scheint eine traurige Lebenslage unveränderbar, müssen wir »aushalten«. Waghalsige wollen wir von lebensbedrohenden Risiken »abhalten«, Unvernünftige »aufhalten«, gelangweilte Kinder »unterhalten«. Wertvolles wollen wir »behalten«, an Vertrautem »festhalten«, gute Zeiten »anhalten«. Manchmal »halten wir den Mund«, wenn wir reden sollten – oder «halten uns zurück«, um nicht aufzufallen.
Müssen wir so vieles »halten«?
An Regeln muss sich, ob reich oder arm, ob jung oder alt, jeder halten. Abmachungen machen ein friedvolles Zusammenleben erst möglich.
Verkehrtes Halten kostet Kraft, unnötiges Halten erschöpft, zu viel kann Schmerzen verursachen. Halten ist statisch gesehen ein Kontrapunkt zur Bewegung. Sich zu einer Sache verhalten, bedeutet oft Stillstand, sich einlassen bewirkt Bewegung.
Auch ich habe in meinem Leben viel gehalten, manches an- und zurückgehalten. Ich hatte mein Leben im Griff, war stolz, alles alleine zu schaffen – scheinbar – bis die zunehmende Überforderung mich erschöpfte. Loslassen war angesagt: »Wer loslässt hat die Hände frei«, heisst es. Ich übte mich darin, vorerst ohne zu überlegen, woraufhin ich denn loslasse.
Gott erübrigt unnötiges Halten
Der Psalmsänger des Wallfahrtsliedes (Psalm 121, 1.2) wusste sich von Gott gehalten:
»Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.«
Mit dieser Gewissheit wagte der Poet das Leben mit seinen Höhen und Tiefen.
Niemand muss sein Leben aus eigener Kraft bestehen. Wir dürften uns weniger überfordern. Freiwerdende Energie fände neue Felder. In Herausforderungen dürften wir vertrauen, wir könnten zuhören und überlegen, was zu tun sei. Warum fällt uns das so schwer? Können wir uns unter Gottes Schutz und Fürsorge so wenig vorstellen? Seine Hilfe ist seine Hilfe, oft anders als wir denken. Unsere Fantasie reicht da nicht hin. Gottes Hilfe übersteigt unser Fassungsvermögen, obwohl vermutlich jeder Mensch sein Eingreifen unzählige Male erlebt. Meistens erkennen wir sein Wirken erst im Rückblick.
Auf Gott hin loslassen
Ohne das Muster »ich muss alles halten« sind wir offener für seine Zeichen. Mit Blick auf ihn wird unser Vertrauen nicht im Desaster enden. Ohne diese klare Ausrichtung könnten wir allerdings in einen Strudel von verwirrenden Gedanken, Gefühlen, Energien geraten. Es könnte sehr dunkel werden.
Schauen wir zu Gott. Von ihm kommt Hilfe. Gott trägt uns, vermutlich mit Leichtigkeit, wenn wir ihn nur lassen. Mit ihm gewinnen wir neue Lebensfreude. An die Stelle von »festhalten« tritt die Erfahrung von »gehalten sein«, an die Stelle von Anstrengung tritt Freiheit.
Bitte um Gehalten sein
Gott – ich möchte so gerne
tragen und bin selber haltlos,
helfen und bin selber hilflos,
lachen und bin so traurig,
stark sein in meiner Schwäche,
vertrauen und habe keinen Mut.
Starker Gott, befreie mich
von meinen Allmachtsphantasien,
von ungesunder Ich Bezogenheit
und übertriebener Gewissenhaftigkeit.
Du hältst mich, wenn ich wanke,
und hilfst mir auf, wenn ich falle.
Halte du, wenn ich nicht kann –
und auch nicht muss.
Sei meine Standfestigkeit.
Mache den krummen Rücken gerade.
Gib mir mehr Mühelosigkeit,
mehr Schwung und Leichtigkeit.
Amen